Verstopfung
Verstopfung (Obstipation) ist ein sehr häufiges Problem und hat viele Ursachen. Dauert der Zustand an, spricht man von chronischer Verstopfung. Unter Verstopfung werden im Allgemeinen verschiedene Beschwerden im Zusammenhang mit der Stuhlentleerung wie der zu seltene Stuhlgang, harter Stuhlgang oder die Notwendigkeit von übermässigem Pressen bei der Stuhlentleerung verstanden. Um die Verstopfung zu objektivieren wurden internationale Kriterien definiert (ROM-II Kriterien).
Wenn Sie in den letzten 6 Monaten während mindestens 12 Wochen bei mindestens einem Viertel der Stuhlgänge unter 2 der folgenden Kriterien litten, ist die ROM-II Definition einer chronischen Verstopfung erfüllt:
- harter, klumpiger Stuhlgang
- Gefühl der inkompletten Stuhlentleerung
- Gefühl der analen Blockierung
- Notwendigkeit der manuellen Hilfe bei der Stuhlentleerung (Ausräumen, Druck auf den Damm)
- <3 Stuhlentleerungen pro Woche
- Einnahme von Abführmittel
Die chronische Verstopfung wird in unserem Beckenbodenzentrum abgeklärt und muss gegenüber einem funktionellen Reizdarmsyndrom abgegrenzt werden. Durch eine Messung der Zeit die für eine Darmpassage benötigt wird (Transitzeit) können wir herausfinden, ob der Darm normal oder verzögert arbeitet oder ob die Passage im Enddarm behindert wird (outlet-Obstruktion). Von einem trägen Darm (slow-transit Obstipation) spricht man bei einer Passagezeit über 72 Stunden.
Bei der Erstabklärung einer chronischen Verstopfung ist es wichtig, zugrundeliegende Erkrankungen auszuschliessen. Dazu gehört eine Zuckerkrankheit, eine Störung der Schilddrüsenhormone, Depressionen, Reizdarmsyndrom und letztlich Darmkrebs. Hierzu führt der Gastroenterologe eine Darmspiegelung durch. Auch wird evaluiert, ob die Verstopfung allenfalls eine Nebenwirkung von Medikamenten ist.
Funktionelle Verstopfung
In den meisten Fällen zeigt sich die Transitzeit normal und es finden sich keine sekundären Ursachen der Verstopfung. In diesem Fall beraten wir Sie über eine angepasste Ernährung und die Möglichkeiten der natürlichen (Leinsamen, Flohsamen) oder medikamentösen Stuhlregulation. In den meisten Fällen kann die funktionelle Verstopfung mit konservativen Massnahmen gut behandelt werden. Wirkt die Stuhlregulation ungenügend, gibt es neue Medikamente welche direkt auf die Darmmotitilität und Entleerung wirken und diese verbessern (Serotonin-Rezeptoragonisten).
Slow-transit Verstopfung
Eine Verstopfung mit verzögerter Passagezeit ist relativ selten. Obwohl eine Störung der Motilität alle Abschnitte des Gastrointestinaltraktes betreffen kann, ist zumeist hauptsächlich ein zu träger Dickdarm für die Verstopfung verantwortlich. Ursächlich wird eine Störung im enteralen Nervensystem diskutiert. Die Therapie einer trägen Dickdarmes erfolgt in erster Linie konservativ mit Hilfe von Stuhlregulantien. Nur bei etwa 3-7% der Patienten muss eine chirurgische Therapie in Erwägung gezogen werden. Abhängig von den individuellen Befunden kann eine teilweise oder vollständige Entfernung des Dickdarmes die Beschwerden lindern. Eine Alternative zu dieser invasiven Operation stellt die sakrale Neuromodulation dar. Bei diesem Verfahren werden die Beckenbodennerven über einen Schrittmacher stimuliert. Es hat sich gezeigt, dass die Stimulation der chronischen Verstopfung entgegenwirkt. Um herauszufinden, ob eine sakrale Neuromodulation eine Linderung bringt, wird zunächst eine Testelektrode in lokaler Betäubung mittels Punktionsnadel im Bereich des Kreuzbeines platziert. Danach wird der Effekt über 14 Tage evaluiert und anschliessend gemeinsam über die definitive Implantation eines internen Stimulators beraten.
Verstopfung bei outlet-Obstruktion
Durch eine funktionelle Engstelle im Bereich des Enddarmes kann es zu einer Erschwerung der Stuhlentleerung und somit zu einer schweren Verstopfung kommen. Der Leidensdruck kann hierbei sehr gross sein und der Stuhlgang kann alltagsbestimmend werden. Patienten mit einer outlet-Obstruktion leiden unter schmerzhaftem Stuhlgang und verbringen längere Zeit auf der Toilette. Oft muss Druck auf den Damm oder in der Scheide ausgeübt werden oder die Beine angezogen werden um den Stuhlgang zu ermöglichen. Nach einer ersten Stuhlentleerung kommt es nach kurzer Zeit häufig zu weiteren Entleerungen. Das Gefühl der inkompletten Stuhlentleerung ist typisch.
An erster Stelle steht in der Abklärung im Beckenbodenzentrum die genaue Erfassung des zugrunde liegenden Problems durch eine gezielte Erfragung der Beschwerden. Durch eine proktologische Untersuchung und Enddarmspiegelung werden die Ursachen erfasst. Mit einer anorektalen Funktionsuntersuchung (Manometrie) lässt sich das Zusammenspiel der Beckenbodenmuskulatur untersuchen. Oft zeigt sich hierbei eine sogenannte Dyskoordination der Muskulatur, wobei der Stuhlgang durch eine muskuläre Verkrampfung des Beckenbodens erschwert wird. Dies wird als «Anismus» oder «Beckenbodendyssynergie» bezeichnet. Abhilfe schafft hier oft eine spezielle Form der Physiotherapie.
In einer speziellen Magnetresonanztomographie wird der Stuhlgang simuliert und die Bewegungen der Beckenbodenorgane dynamisch werden erfasst. Dabei kann eine outlet-Obstruktion diagnostiziert werden. Bei einer outlet-Obstruktion stülpt sich der Enddarm infolge einer Beckenbodensenkung beim Stuhlgang in sich selbst ein (Intussusception) oder wird durch Dünndarm, Bauchfett oder andere Organe abgeknickt (Enterozele, Sigmoideozele).
Stapled TransAnal Rectal Resection (STARR)
Liegt eine echte Outlet-Obstruktion vor, wird eine Manschette des Enddarmes mit Hilfe eines Klammernahtgerätes durch den After entfernt (Stapled TransAnal Rectal Resection, STARR). Durch die Kürzung des Enddarmes wird ein Einstülpen desselben verhindert und die Stuhlentleerung normalisiert sich. Vor einer Operation ist es wichtig, die Funktion und Grösse des Enddarmes in unserem Funktionslabor genau zu untersuchen. Der Eingriff kann schmerzarm in einer kurzen Hospitalisation durchgeführt werden.
Laparoskopische ventrale Netz-Rektopexie
Eine vielversprechende Alternative zur STARR Operation ist die laparoskopische ventrale Netz-Rektopexie. Dabei erfolgt in Schlüssellochtechnik eine Bauchspiegelung. Der gesenkte Enddarmdarm wird mit Hilfe eines kleinen Netzes wieder fixiert und somit ein Einstülpen verhindert. Zusätzlich lässt sich gleichzeitig die Senkung weiterer Beckenorgane (Scheide, Blase) beheben und die Abgrenzung des Bauchraumes zum Beckenboden kann rekonstruiert werden. Im Gegensatz zur STARR Operation ist keine Teilentfernung des Enddarmes notwendig. Dies ist für die Funktion des Enddarmes vorteilhaft.